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Das Importpferd
Der
Berber/Araber-Berber
aus Marokko, Tunesien
oder Algerien
Der Bestand an Berbern und Araber-Berbern hier in Deutschland ist sehr
klein. Gerittene Berber und Araber-Berber von privat kommen nur sehr
selten auf den Markt. Es bleibt also nur der Weg zum Züchter
und dort gibt es naturgemäß überwiegend
ungerittene Jungpferde und Fohlen.
Da liegt es nahe, sich nach einem Originalimport umzusehen. Die Pferde
sind in der Regel geritten, manchmal auch gefahren. Dieser Weg birgt
allerdings Risiken, die man vorher genau abwägen sollte, bevor
man sich für einen Import aus den Ursprungsländern
entscheidet.
Haltungsbedingungen im Ursprungsland
Die Haltungbedingungen in den Ursprungsländern unterscheiden
sich erheblich von denen hier. Weidehaltung mit freier Bewegung gibt es
nicht, ebensowenig Gruppenhaltung. Das einzelne Pferd wird als Zugtier
für den Marktkarren eingesetzt, als Transporttier und als
Fortbewegungsmittel oder es ist Fantasiapferd, d.h. es wird extrem fett
gefüttert, weil das das Ansehen des Besitzers steigert. Diese
Pferde werden nur zu Fantasiaveranstaltungen herausgeholt, die
allerdings selten sind. Wird ein Pferd nicht gebraucht, steht es
gehobbelt oder angepflockt hinterm Haus oder in einem dunklen
Verschlag. Weidezäune sind unbekannt. Eine medizinische
Versorgung für die Tiere
gibt es meist nicht. Gefüttert wird mit dem, was da
ist, in der Regel Futterstroh, manchmal Luzerne, wenn möglich
und bezahlbar auch Gerste oder Hafer. Insgesamt ist die
Fütterung in den Ursprungsländern von Extremen
geprägt: zu wenig oder viel zu viel. Eine ausgewogene,
leistungsangepasste Fütterung gibt es so gut wie nicht. Fohlen
wachsen nicht in Herden und später auf Fohlenweiden auf,
sondern allein mit der Mutter, die gehobbelt oder angepflockt hinterm
Haus steht und um die herum sie sich etwas bewegen können.
Auswirkungen dieser Haltung
Eine solche Haltung bleibt natürlich nicht ohne Auswirkungen
auf das Pferd. Nicht umsonst wird in der Pferdezucht allgemein sehr
viel Wert auf eine Aufzucht der Fohlen auf großen
Flächen mit viel Bewegungsmöglichkeiten, auf
angepasste Fütterung und ein Leben in der Gruppe geachtet.
Pferde brauchen die Gruppe, um sozial verträglich zu werden,
die Bewegung trainiert Sehnen, Knochen und Muskeln und lässt
einen leistungsfähigen Organsimus heranwachsen, der der
späteren reiterlichen Belastung gewachsen ist. Erfahrene
Distanzreiter z.B. kaufen ihre Pferde ausschließlich bei
Züchtern, wo die Pferde drei Jahre lang mehr
oder weniger "wild" in der Herde auf großen Flächen
aufwachsen. Nur so halten sie den Anforderungen des Distanzsports
stand. Es ist allgemein bekannt, dass das, was in den ersten drei oder
vier Jahren versäumt wurde, nicht mehr wieder gut gemacht
werden kann.
Auswirkungen
des Hobbelns
Gehobbelt wird meist mit einem einfachen Strick, d.h. dem Pferd werden
die Vorderbeine mit einem einscheidenden Stück Strick
zusammengebunden, so dass es nicht
weglaufen kann. Das führt über die Jahre zu tiefen
Verletzungen und Vernarbungen an den Vorderbeinen, sowie zu nicht mehr
korrigierbaren Fehlstellungen, die natürlich auch Auswirkungen
auf den möglichen reiterlichen Einsatz haben. Eine weitere
Folge von Fehlstellungen sind Gelenkschäden wie Arthrosen
(Spat z.B.) sowie permanente Muskelverspannungen durch die
unphysiologischen Belastungen.
Auswirkungen
des Bewegungsmangels
Wie bereits oben beschrieben, brauchen Knochen, Sehnen, Muskeln
ausgiebige Bewegungsmöglichkeiten, um sich so, wie genetisch
angelegt, entwickeln zu können. Haben Pferde in jungen Jahren
zu wenig Bewegung, kommt es zu vielfältigen Schäden
und/oder
Fehlentwicklungen: Die Hufe nutzen sich nicht korrekt ab, es kommt zu
irreversiblen Fehlstellungen, die Pferde erreichen oft nicht die
genetisch festgelegte Endgröße (sie "mickern"),
der Band- und Sehnenapparat, aber auch Herz-/Kreislauf und
Atmungsorgane bleiben oft ein Leben lang anfällig bzw. nicht
optimal leistungsfähig.
Auswirkungen
der Fütterung
Sehr restriktive oder exzessive Fütterung hat immer
Auswirkungen auf den Organsimus. Im ersten Fall kommt es zu
Mangelernährung mit allen bekannten Folgen wie Minderwachstum,
wenig belastbarer Organismus, eventuell sogar Knochenschäden.
Im zweiten Fall ist der Stoffwechsel extrem überlastet, was zu
EMS (equines metabolisches Syndrom mit Hufrehe als Folge)
führen kann. Außerdem wachsen Jungpferde bei
exzessiver Fütterung zu schnell, die Knochendichte
hält nicht Schritt mit der Knochenlänge, das Gleiche
bei den Sehnen, was zu irreparablen Schäden
führen und Ursache einer
außergewöhnlichen Verletzungsanfälligkeit
sein kann.
Auswirkungen
der Einzelhaltung
Das Pferd ist ein soziales Herdentier. Einzelhaltung, gar noch in
Kombination mit zu wenig Bewegung, bekommt ihm definitiv nicht
und führt oft zu Verhaltensauffälligkeiten oder sogar
Störungen, wie z.B. Weben und Koppen. Erhebliche
Schwierigkeiten haben solche Pferde oft auch bei der
Eingewöhnung in eine Gruppenhaltung, wie sie hierzulande
üblich und auch wünschenswert ist, da sie nie ein
normales Sozialverhalten gelernt haben. Im Extremfall kann es sein,
dass man solche Pferde ein Leben lang einzeln halten muß.
Ausbildung in den Ursprungsländern
Die Ausbildung der Pferde in den Ursprungsländern ist nicht zu
vergleichen mit der Ausbildung hier. Die Pferde müssen einfach
"funktionieren", dazu werden ggf. Zwangsmittel wie z.B. scharfe Gebisse
eingesetzt. Fantasiapferde z.B. werden als Handpferd zu den
Veranstaltungen gebracht, dort rennen sie mit hohem Kopf von einem Ende
des Feldes zum anderen und dann geht es wieder nachhause. Ein
korrektes, gymnastizierendes, pferdeschonendes Training ist unbekannt.
Ist das Pferd gefahren, heißt das in aller Regel, das Pferd
kann einen Karren zum Markt ziehen. Kommt so ein Pferd hierher, ist es
zwar "geritten" oder "gefahren", das ist aber auf gar keinen Fall das,
was man hierzulande üblicherweise darunter versteht. Vor
allem Fantasiapferde brauchen eine - mitunter langwierige -
Umschulung zum Reitpferd, wie wir es verstehen. Dazu kommt:
Fällt der Zwang, den die Pferde gewöhnt sind, nun
plötzlich weg, ohne durch eine korrekte Ausbildung ersetzt zu
werden, kann es mitunter zu sehr erstaunlichen Verhaltenweisen der
ursprünglich "gut erzogenen" Pferde kommen, die durchaus dazu
geeignet sein können, einen Reiter zu überfordern.
Grundsätzliche Problematik beim Import
aus anderen Klimazonen
Man kennt die Problematik auch beim Menschen: alljährlich
trifft es die Sommerurlauber, die im Ferienland alle möglichen
Erkrankungen bekommen, während die einheimische
Bevölkerung gesund und munter ist. Oder zu Zeiten der
Eroberungen fremder Länder: die Conquistadores brachten
Krankheiten mit, an denen die Ureinwohner starben, während sie
umgekehrt Krankheiten bekamen, gegen die die Ureinwohner wiederum
resistent waren.
Grund
für diese Erscheinung ist die Entwicklung des
Immunsystems:
Beim Kleinkind und auch Fohlen ist das Immunsystem noch nicht
entwickelt. Antikörper und damit Schutz bekommt der Nachwuchs
über die Muttermilch. Mit dem sich erweiternden Radius der
Kleinen wird der heranwachsenden Organismus nun Zug um Zug mit immer
mehr Keimen und Viren konfrontiert, was Reaktionen im Immunsystem
auslöst. So wird das Immunsystem über Jahre
trainiert, so dass es - wenn es ausgereift und nicht
geschwächt ist - in aller Regel mit den in seiner
normalen Umgebung vorkommenden potenziell schädlichen Keimen
und Viren gut zurecht kommt.
Kommt es nun zu plötzlichen erheblichen
Veränderungen der gewohnten Umgebung, wie
z.B. einer Ferienreise oder im Fall der Pferde zu einem Import, wird
das Immunsystem
überflutet mit einer Unmenge unbekannte Keime und Viren. Dazu
kommt, dass der Stoffwechsel mit abrupten extremen
Klimaveränderungen nur schlecht zurecht kommt, was ebenfalls
Auswirkungen auf das Immunsystem hat. So kommt es oft zu einer
"Kapitulation" des Immunsystems und das Pferd (und auch der Mensch)
wird krank oder entwickelt bisher unbekannte Allergien. Beim Pferd kann
so Sommerekzem entstehen: hier reagiert der Organismus
allergisch auf den Stich der Kriebelmücke, die es in den
Ursprungsländern nicht gibt. Ein bei den Isländern
und Andalusiern gut bekanntes Phänomen.
Dazu kommt noch, dass das fremde Klima - in unserem Fall Nässe
in Kombination mit Kälte - die Pferde völlig
überfordert und die Umstellung sehr langwierig sein kann.
Empfehlung
Zur Zuchtauffrischung kann es durchaus Sinn machen, ein Pferd zu
importieren. Wenn man weiß, worauf man sich einlässt
und bereit ist, bei der Haltung des Pferdes auf die besonderen
Anforderungen und Schwierigkeiten Rücksicht zu nehmen, steht
dem sicher nichts entgegen - vor allem, wenn die Abstammung des Pferdes
bekannt ist, so dass über die möglichen
Vererberqualitäten zumindest einigermaßen fundierte
Aussagen getroffen werden können.
Für den Freizeitreiter ist es in aller Regel wahrscheinlich
weniger empfehlenswert, auf ein Importpferd aus den
Ursprungsländern zurück zu greifen. Der Aufwand der
Umstellung steht möglicherweise in einem unausgewogenen
Verhältnis zum Nutzen, d.h. ein Nutzen ist erst einmal nur
sehr
eingeschränkt möglich, mitunter auch gar nicht. Der
Sportreiter, wie z.B. der
Distanzreiter,
wird mit einem Importpferd aus den Ursprungsländern schnell an
die Grenzen der Leistungsfähigkeit kommen. Treffen Sie Ihre
Entscheidung also auf jeden Fall sehr überlegt und in
Abwägung aller möglichen Vor- und Nachteile. Es nutzt
niemandem - am wenigsten dem Pferd - wenn Sie es aufgrund von
unüberwindlichen Schwierigkeiten wieder abgeben
müssen.
Ein guter Kompromiss könnte der Import eines Pferdes aus
Frankreich sein. In Frankreich sind die Lebens-/Haltungsbedingungen den
unseren ähnlich, die Abstammung der Pferde ist in der Regel
bekannt und der Reiter/Züchter hat eine große
Auswahl, da Frankreich die größte Population an
Berbern und Araber-Berbern außerhalb Nordafrikas besitzt und
dort schon sehr viel länger Berber und Araber-Berber
gezüchtet werden als hier in Deutschland.
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